Nachgefasst: AfD und „Konservative Revolution“

Mit Hintergrundgesprächen hilft mir ab jetzt die Autorin Monika Hülsken-Stobbe, anlassbezogen und vertiefend auf thematische Aspekte meiner Landtagsarbeit einzugehen. Sie arbeitet dabei auch mit dem Leiter meines Wahlkreisbüros in Wittenberg, Alexander Riedle, zusammen.

Volk, Rasse und Umsturz von rechts – alte Ideologien im neuen Gewand

Diesmal gehen wir zurück zur Landtagssitzung am 25.02.2022. Herausgegriffen wird meine Rede zu einem AfD-Antrag mit dem Titel „Remigrationsprogramm für ausgewanderte deutsche Fachkräfte nach japanischem Vorbild statt kulturfremder Massenzuwanderung“. Der Antrag wurde vom Landtagsabgeordneten Dr. Jan Moldenhauer eingebracht.

Monika: Heide, bei deiner Rede zu dem AfD-Antrag „Remigrationsprogramm“ hatte ich den Eindruck, dass dieses Thema geradezu Wasser auf deine Mühlen war. Was ließ dich so energisch auftreten?
Heide: Mit Remigration, zu Deutsch Rückwanderung, meint die AfD in erster Linie: Ausweisung eingewanderter Menschen, die sie aufgrund ihrer Herkunft für „kulturfremd“ halten. Björn Höcke sprach sogar von „Säubern“. Bei diesem Antrag ging es um die andere Seite der Medaille im Sinne der AfD: Rückwanderung von ausgewanderten Deutschen oder deren Nachkommen, nach vermeintlich japanischem Vorbild. Das Thema „Remigration“ gehört mit vielen anderen der AfD zu einem – auch organisierten – rechtsextremen Gedankengut, mit dem ich mich schon seit einiger Zeit intensiv auseinandersetze. Insbesondere verfolge ich dabei die Strukturen, aus denen diese Thesen gerade in Sachsen-Anhalt genährt werden. Der Antrag aktivierte eine ganze Fülle meiner Themen, die ich in meinem Redebeitrag nur ansatzweise einbringen konnte.

Monika: Du hast in deiner Rede den Bezug auf Japan praktisch zunichte gemacht mit dem Hinweis, dass Japan sein Einwanderungsgesetz 2019 grundlegend geändert hat. Einen weiteren Teil deiner Rede hast du der Beschäftigung mit ideologischen „Wurzeln“ von AfD-Anträgen gewidmet. Warum?
Heide: Die japanischen Erfahrungen mit einer restriktiven Einwanderungspolitik einerseits und dem Zurückholen japanisch-stämmiger Arbeitskräfte andererseits wurden in dem Antrag sehr beschönigend dargestellt, die neue Entwicklung war gänzlich weggelassen. Der Antrag hat einen engen Bezug zu Publikationen und Netzwerken des privaten „Institut für Staatspolitik“ (IfS), in Schnellroda, Sachsen-Anhalt. Spezifisch gilt das für ein 2018 erschienenes Heft von Herrn Dr. Moldenhauer selbst, der in diesem Fall auch der Einbringer des Antrags war. Solche Bezüge sehe ich bei praktisch allen Anträgen der AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt, auch bei Anträgen in anderen Landtagen und auf Bundesebene. Das IfS pflegt – ich sagte genau das in der Rede – in pseudowissenschaftlicher Art und Weise Gedankengut von Autoren der 1920er- und 1930er-Jahre, die wegbereitend waren für das NS-Regime.

Monika: Welche Rolle spielt das nach deiner Meinung gerade bei diesem Antrag?
Heide: Der beim IfS erschienene Text „Japans Politik der Null-Zuwanderung – Modell für Deutschland?“ ist durchdrungen von Kampfbegriffen der rechtsextremen Szene. Das fängt schon an mit der Formel vom „Großen Austausch“ gleich im ersten Absatz. Diese ist in der Szene sehr verbreitet; der Moschee-Attentäter im neuseeländischen Christchurch verwendete sie 2019 im Titel seines Manifests. Die rassenideologisch geprägte Sprache, aber auch der Bezug auf Japan gerade im Zusammenhang mit diesem Vokabular, ließen mich an Professor Karl Haushofer denken. Man kann ihn sowohl als einen der ideellen Wegbereiter als auch als ein späteres Opfer des Nazi-Regimes sehen; eine zutiefst tragische Gestalt. In seinem 1933 erschienenen Heft „Japans Werdegang als Weltmacht und Empire“ schwärmte er vom „zähen und harten Rassenwillen“, den er in Japan zu sehen meinte, und worin er Ansatzpunkte für eine besondere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Japan sah.

Monika: Das ist heftig. Wie bist du als Ärztin eigentlich dazu gekommen, dich so vertieft auch in historische Themen einzuarbeiten?
Heide: Auslöser war meine Beschäftigung mit dem „Revival“ des Gedankenguts der Eugenik, im Zusammenhang mit der Sarrazin-Debatte. Ich stieß darauf, dass 1. der deutsche, diskreditierte Begriff „Rassenhygiene“ eine vom Begründer der Eugenik-Lehre, Francis Galton, autorisierte Übersetzung war, 2. später in der NS Zeit viele Ärzte an einer speziellen „Führerschule der deutschen Ärzteschaft“ Schulungen dazu durchliefen, und 3. Ideen daraus auch in die Nachkriegszeit getragen wurden. Daher kommt eine gewisse Sensibilisierung für Ideengeschichte. Meine langjährige Tätigkeit in der internationalen Zusammenarbeit für globale Gesundheit hat ebenfalls zu dieser Sensibilisierung beigetragen.

Monika: Hast du noch weitere Beispiele zu einem Zusammenhang zwischen Ideen von Vordenkern des Nationalsozialismus und Inhalten, wie sie vom IfS verbreitet werden?
Heide: Das IfS schwärmt von einer neuen, positiven Beschäftigung mit der sogenannten „konservativen Revolution“. Diesen Begriff prägte der 2003 verstorbene Schriftsteller Armin Mohler. Er würdigte die vermeintlich missverstandene Arbeit von demokratiefeindlichen Theoretikern der Weimarer Zeit, deren Denkmuster und Schlagworte über Volk, Rasse, mystische Bestimmung und jüdische Weltverschwörung in die Nazi-Ideologie eingingen. Zu diesen gehören Autoren wie Arthur Moeller van den Bruck, dessen Buchtitel „Das dritte Reich“ von den Nationalsozialisten als politisches Schlagwort übernommen wurde; Oswald Spengler, Autor des kulturpessimistischen Opus „Der Untergang des Abendlandes“; Hitler-Mentor Dietrich Eckart, Dichter eines „Sturmlieds“ mit der Parole „Deutschland, erwache“; der schon genannte Geopolitiker Karl Haushofer und viele andere.

Monika: Was erwartest du davon, im Landtag auf diese Zusammenhänge hinzuweisen?
Heide: Der Verfassungsschutz hat das IfS bzw. den Trägerverein, „Verein für Staatspolitik“, als „gesichert rechtsextreme Gruppierung“ eingestuft. Dessen ungeachtet kommen seine Inhalte über die AfD in die Parlamente. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass wir diesen Einfluss benennen und beenden.