Wirtschaftsentwicklung und Teilhabe am wirtschaftlichen Fortschritt
Innovative Wirtschaft und gute Arbeit – dieses Thema steht für die SPD in unserem Landtag ganz oben.
Dies unterstütze ich auch aus der Perspektive „öffentliche Gesundheit“, auf die ich mich besonders konzentriere. Bessere Gesundheit und höhere Lebenserwartung finden wir in der Regel dort, wo mehr Mittel zur Verfügung stehen, um gute Gesundheitsdienste und Lebensverhältnisse ohne Existenzangst zu ermöglichen. Beispiele von Staaten oder Regionen, deren Bevölkerung eine deutlich höhere oder deutliche niedrigere Lebenserwartung hat als nach der Wirtschaftskraft zu erwarten wäre, zeigen, dass auch andere Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Aber als Faustregel gilt, dass es einen starken Zusammenhang gibt zwischen Wirtschaftskraft einerseits und Lebenserwartung und Gesundheitszustand der Menschen andererseits.
Besonders hervorheben möchte ich diese Aspekte:
- Aus der Corona-Krise darf keine tiefe Wirtschaftskrise werden
- Sachsen-Anhalt ist ein Land der Zukunftstechnologie und Heimat von Innovation
- Wir brauchen alle Talente und müssen dazu auch Vorurteile überwinden
- Auch in der Landespolitik ist der globale Rahmen strategisch mit zu berücksichtigen
Aus der Corona-Krise darf keine tiefe Wirtschaftskrise werden:
Wir alle wollen, dass Investitionen, Kaufkraftstärkung und Überbrückungshilfen aus dem Konjunkturpaket des Bundes gezielt und wirksam eingesetzt werden. Wie erreichen wir das? Wir brauchen klare Kriterien und Transparenz. In erster Linie sollen Leistungen aus diesem Paket nachweisbar zur unmittelbaren Aufrechterhaltung von Gehaltszahlungen und Abwendung von Geschäftsaufgaben dienen. Des Weiteren ist wichtig, Anpassungen von Geschäftskonzepten an die Corona-Situation zu fördern; z.B. die Einrichtung kombinierter Formen von Einkaufen vor Ort und Internet-Handel.
Sachsen-Anhalt ist ein Land der Zukunftstechnologie und Heimat von Innovation:
Das Rückgrat der wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen-Anhalt werden mittelständische Unternehmen bleiben. Die SPD setzt sich mit Nachdruck dafür ein, dass diese sich in einem noch höheren Maße durch hohe Wertschöpfung, eigene Forschungsaktivitäten, hochwertige Arbeitsplätze und die gezielte Ausbildung von Fachkräften auszeichnen. Unser Land ist gut aufgestellt für die Weiterentwicklung digitaler Wirtschaftszweige und der Pharma-Industrie. Klimafreundliche Technologien federn den Ausstieg aus der Kohle ab und bieten neue Arbeitsplätze. Die Bereiche Chemie, Energie und Automotive sind bereits heute in Sachsen-Anhalt stark und haben weiteres Entwicklungspotential. Durch zinsgünstige Darlehen und Bürgschaften lässt sich die Dynamik von Start-ups nutzen. Im Bereich Medien- und Kreativ-Wirtschaft sind Potentiale zu beleben. Professor Armin Willingmann, unser Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung, hat das Ziel ausgerufen, dass bis 2030 auch der ländliche Raum mit modernen Infrastrukturen wie flächendeckenden Gigabit-Netzen und 5G-Mobilfunk ausgebaut wird. Dadurch wird sich Sachsen-Anhalts Wirtschaft auch dort dynamischer entwickeln können.
Sachsen-Anhalt ist Heimat weltweit bedeutender sozialer und technischer Innovation. Neben Tourismus-Förderung an und für sich besteht daher auch ein großes Potenzial in der Förderung von Bildungs- und Konferenztourismus, der wiederum beim Ankurbeln internationaler Handelsbeziehungen eine Rolle spielen kann. So bringt z.B. das Bauhaus-Motto „Form folgt Funktion“, weit hinaus über seinen ursprünglichen Anwendungsbereich in Architektur und Design, weltweit einen Anspruch auf ein gutes Verhältnis von Mitteleinsatz und Ergebnis zum Ausdruck. Wenn ich in dem Zusammenhang erwähne, dass ich in der Nähe der Bauhaus-Stadt Dessau zu Hause bin, hört man mir stets interessiert zu. In Wittenberg hat sich das „Wittenberg Zentrum für globale Ethik“ angesiedelt. Hier wird über Wirtschaftsethik nachgedacht und konferiert, hier werden auch Firmen beraten; weltweit einflussreiche Wirtschafts-wissenschaftler waren hier schon Konferenzteilnehmer. Sachsen-Anhalt hat viel zu bieten, aus dem sich eine auch für Investoren besonders interessante „Marke“ entwickeln lässt.
Vergessen wir nicht, dass auch Gesundheit, Bildung und andere vom Staat zu garantierende Leistungen Arbeitsplätze schaffen und ein bedeutender Wirtschaftsfaktor sind. Auch hier ist innovatives Gestalten gefragt.
Wir brauchen alle Talente – Fremdenfeindlichkeit schadet:
Um diese Visionen zu verwirklichen, kommt es nicht nur auf wirtschaftspolitische Weichenstellungen an. Es muss uns auch gelingen, unsere demokratische, freiheitliche Grundordnung zu stärken und antidemokratische, populistische Kräfte zurückzudrängen.
Einer der Impfstoffe, die jetzt gegen das Corona-Virus zur Verfügung stehen, wurde von der deutschen Firma BioNTech wesentlich mit entwickelt. Dessen Gründer, das Forscher-Ehepaar Uğur Şahin und Özlem Türeci, kamen als Migrantenkinder aus der Türkei nach Deutschland.
Zu den drei Gründern des führenden Internet-Portals YouTube gehörte ein junger Mann, dessen Mutter aus Wernigerode stammt, und dessen Vater aus Bangladesch nach Sachsen-Anhalt gekommen war; Jawed Karim. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er in Merseburg. Fremdenfeindlichkeit, so sagte seine Mutter einmal, war der wesentliche Grund, dass die Familie erst aus Sachsen-Anhalt und dann ganz aus Deutschland wegging und sich in den USA ein neues Zuhause suchte.
Fremdenfeindlichkeit schadet, nicht „nur“ dem menschlichen Miteinander, sondern auch der wirtschaftlichen Entwicklung. Dies betrifft bedeutende technische Entwicklungen, aber auch alltägliche Dinge wie z.B. die ärztliche und pflegerische Versorgung auf dem Land. Es ist wichtig, dass wir Talente fördern und einsetzen, damit sie zur Entwicklung des Landes Sachsen-Anhalt beitragen – ohne (auch unterschwellige) Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts, ihrer geographischen oder sozialen Herkunft, des Farbtons ihrer Haut und anderer hierfür unwesentlicher Merkmale.
Auch in der Landespolitik ist der globale Rahmen strategisch zu berücksichtigen:
Weltweit wächst zwar rasant die Wirtschaftskraft, aber gleichzeitig steigt auch rapide die Ungleichheit der Vermögens- und Einkommensverhältnisse zugunsten des reichsten Prozents der Bevölkerung und zulasten der öffentlichen Haushalte und eines Großteils der Bürger*innen. Die Corona-Krise scheint diesen Trend noch weiter zu beschleunigen. Internet-Giganten wie Amazon profitieren; der Handel in den Innenstädten und Ortszentren bricht zunehmend ein. Davon sind viele Menschen direkt betroffen. Über geringere Steuereinnahmen und zu leistende Subventionen verkleinern sich die ohnehin schon geringen Spielräume der öffentlichen Haushalte weiter. Öffentlich-private Partnerschaften können zwar helfen, öffentliche Aufgaben zu erfüllen; z.B. in der Gesundheitsversorgung, Wasserversorgung und Abwasserreinigung. Sie haben aber auch erhebliche Risiken und Grenzen, wenn der öffentliche Partner nicht die Mittel und den Einfluss hat, öffentliche Interessen durchzusetzen.
Zu den Aufgaben des Landtags gehört auch die Mitwirkung an der Gestaltung landesübergreifender Strategien. Wichtig ist zum Beispiel, bei Themen wie Digital- und Finanztransaktionssteuer den Bezug zur regionalen Wirtschaftsentwicklung deutlich zu machen. Steuern und Transfers sind wichtige Instrumente, um nötige Spielräume für öffentliche Investitionen und Wirtschaftsförderung zu schaffen. Sie dienen des Weiteren dazu, mehr Wettbewerbsgerechtigkeit zwischen globalen Giganten einerseits und lokalen Unternehmen und Betrieben andererseits herzustellen. Natürlich müssen sie zielführend und transparent gestaltet sein. Dabei hilft der Austausch zwischen den Regionen – im Bundesrat, aber auch in anderen, informelleren Plattformen wie dem EU-Forum „Europa der Regionen“.
Der Begriff “Neidsteuer” (Originalton Friedrich Merz) zeigt, wie schwierig es ist, in einem zum Teil sehr ideologisch geprägten Klima eine objektive Diskussion über Steuern und Transfers zu führen. Dennoch muss sie geführt werden. Mit der Coronakrise ist noch einmal besonders deutlich geworden, dass Bund, Länder und Kommunen für Aufgaben der Daseinsvorsorge und der wirtschaftlichen Entwicklung kräftig investieren müssen. Der Markt allein richtet es nicht. Diese Erkenntnis ist mittlerweile sogar in internationale Finanz-Institutionen, wie die Weltbank, vorgedrungen. Die Herausforderungen unserer Zeit sind nicht mit den marktradikalen Denkmustern der 1990er Jahre zu bewältigen; weder weltweit noch zu Hause.