Unser Recht auf Gesundheit
Von der Verfassung geschützt
Das Recht auf Gesundheit stellt für die mehr als 170 Vertragsstaaten des Sozialpakts der Vereinten Nationen, darunter auch Deutschland, ein anerkanntes Menschenrecht dar. Dies bedeutet: Der Staat erkennt das Recht einer jeden Person auf das für sie erreichbare Höchstmaß an Gesundheit an. Er verpflichtet sich, bestmögliche Voraussetzungen für die Umsetzung dieses Rechts zu schaffen. Diese Voraussetzungen umfassen eine für alle zugängliche, hochwertige Gesundheitsversorgung, gesundheitliche Aufklärung und Lebensbedingungen, die die Gesundheit schützen und fördern.
Das dritte der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, die bis 2030 erreicht sein sollen, bezieht sich auf Gesundheit und Wohlergehen für alle Menschen. Besonderes Gewicht wird dabei auf messbare Zielwerte für die Gesundheitsversorgung gelegt.
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wird dieses Recht auf Gesundheit grundsätzlich im „Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ ausgedrückt. Die Verfassung von Sachsen-Anhalt nennt als ein übergeordnetes Ziel, „das Wohl der Menschen zu fördern“; daraus ist das Recht auf Gesundheit leicht abzuleiten.
Gerade jetzt - in der Coronakrise – tritt der Stellenwert des Gesundheitsschutzes in den Vordergrund. Wie wichtig es ist, den Verfassungsrang des Rechtes auf Gesundheit und Vorsorge anzuerkennen, zeigt sich momentan noch deutlicher als zu anderen Zeiten.
Die Coronakrise als Brennglas – Beispiel Krankenhausfinanzierung
Die Coronakrise hat Stärken und Schwächen der Gesundheitssysteme besonders deutlich hervortreten lassen. Das reicht von den Rahmenbedingungen der Globalisierung über die Bundes- und Landespolitik bis in die Landkreise und Kommunen hinein. Offenkundig wird dies bei der stationären Versorgung in den Krankenhäusern. Bereits vor dem Ausbruch der Pandemie wurde die jahrelang gehegte Erwartung, eine Privatisierung sei wirksam gegen die Unterfinanzierung kommunaler Krankenhäuser, vielfach enttäuscht - in Deutschland ebenso wie in anderen Ländern. In Sachsen-Anhalt sorgen unter anderem die Insolvenz des Klinikums Burgenlandkreis GmbH, die Schließung des KMG Klinikums Havelberg (Klinik Management GmbH) sowie der Umgang mit den Beschäftigten des Gesundheitsdienstleisters AMEOS und Meldungen über Skandale in der Patientenversorgung für Aufsehen.
Aber Gesundheit darf nicht für Gewinne aufs Spiel gesetzt werden. Bestimmte Leistungen und Personalkonzepte sind profitabler als andere. Kritisch wird die Orientierung an der wirtschaftlichen Rendite allerdings, wenn wichtige Leistungen in einer Region nicht mehr ausreichend angeboten werden, weil sie sich für die Betreiber finanziell „nicht lohnen“. Dies ist zum Beispiel im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin oder in der Gynäkologie und Geburtshilfe der Fall. Eine solche Entwicklung ist in Sachsen-Anhalt bereits eingetreten. In anderen Bundesländern, wie etwa in Mecklenburg-Vorpommern, wird ähnliches beobachtet. Der dortige CDU-Gesundheitsminister verwies im März 2020 auf den Schutz des Eigentums im Grundgesetz, um aufzuzeigen, dass ein Versorgungsauftrag nicht „mit Zwang“ durchgesetzt werden könne. In Sachsen-Anhalt erinnerten Politiker in Gesprächen mit dem privaten Betreiber AMEOS im Januar 2020 vielmehr an den Verfassungsrang des Rechts auf Gesundheit. Sie pochen darauf, dass eine angemessene Beteiligung an der Erfüllung des durch das Land erstellten Krankenhausplans Voraussetzung ist, um Investitionsförderung aus Landesmitteln in Anspruch nehmen zu dürfen.
Müssen Betten für eine steigende Zahl zu erwartender Covid-19-Patienten freigehalten werden, stößt das derzeitige, auf Fallpauschalen ausgerichtete Abrechnungssystem deutlich an seine Grenzen. Denn es belohnt geradezu diejenigen Krankenhäuser, die viele Patienten in kurzer Zeit mit möglichst wenig Personal durchschleusen, und die möglichst wenig freie Kapazitäten vorhalten.
Dies betrifft sowohl die privaten als auch die öffentlichen Anbieter. Aber private, profitorientierte Anbieter stehen unter dem Druck, möglichst hohe Renditen zu erzielen und Investoren zufrieden zu stellen, die mit der Gesundheitsversorgung zum Teil keinerlei Verbindung mehr haben. Zunehmend erwerben nämlich internationale Investmentfirmen Anteile an Krankenhausketten. Das in Sachsen-Anhalt marktführende, in der Schweiz ansässige Krankenhaus-Unternehmen AMEOS beispielsweise ist seit 2012 mehrheitlich im Besitz der Carlyle Group. Diese Investmentfirma ist in den USA seit Jahren wegen Skandalen in Krankenhäusern und Pflegeheimen in den Schlagzeilen (Beispiel HCR ManorCare).
Die Erfordernisse des Finanzmarkts können den Kostendruck, dem sich auch öffentliche und gemeinnützige Träger gegenübersehen, wesentlich verschärfen. Auch Effizienzsteigerungen, wie sie von Privatisierungen vielfach erwartet werden, ersetzen nicht notwendige Investitionen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnte im Dezember 2020, dass viele Kliniken bald die Gehälter nicht mehr zahlen könnten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat zwar eine Garantie für die Weiterzahlung von Gehältern ausgesprochen. Aber Finanzspritzen, die sich an Schwellenwerten für die Zahl der betreuten Covid-Patienten orientieren, helfen nur punktuell. Die grundlegenden Probleme der Krankenhausfinanzierung bestehen weiter und verschärfen sich.
Wofür setze ich mich ein?
Gesundheit ist ein Schwerpunkt meiner Kandidatur zum Landtag von Sachsen-Anhalt. Ich vertrete Kernpositionen der SPD Sachsen-Anhalt und arbeite an ihrer konkreten Ausgestaltung mit.
Die SPD setzt sich ein für hochwertige und für alle zugängliche ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung in Stadt in Land. Sie prägt in diesem Sinne die aktuelle Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt wesentlich mit. Ihre Forderungen und Konzepte reichen aber weiter: Wie in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge ist ein aktiver Staat gefragt, der flächendeckend eine hochwertige, moderne Gesundheitsversorgung sicherstellt. Zur Sicherstellung der Krankenhausversorgung in Sachsen-Anhalt fordert die SPD ein deutlich aufgestocktes Investitionsprogramm. Sie will weitere Privatisierungen verhindern und befürwortet die Rekommunalisierung, wenn ein privater Krankenhausbetreiber die Gesundheitsversorgung nicht mehr sicherstellt.
Eine wesentliche Rolle der Sozialdemokratie sehe ich darin, gangbare Wege für ein demokratisch und sozial organisiertes Gemeinwesen aufzuzeigen und die dafür nötige Solidarität zu mobilisieren. Dies erfordert eine neue Auseinandersetzung mit anderen Interessen.
Der Glaube an die vermeintlich segensreiche Kraft eines möglichst unregulierten Marktes, inklusive global agierender Investmentfirmen wie BlackRock, Blackstone, Carlyle und andere, erreichte um die Jahrtausendwende einen Höhepunkt. Mittlerweile haben jedoch selbst internationale Finanz-Institutionen wie die Weltbank anerkannt, dass die Sicherstellung öffentlicher Güter ein staatliches Eingreifen erfordern kann.
2016 stellte ein Bericht der Weltbank fest, dass Umverteilungsstrategien ein Versagen der Märkte für Leistungen der Daseinsvorsorge verhindern und sogar die wirtschaftliche Effizienz steigern können. Der renommierte französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty und andere finden Beachtung mit Analysen der weltweit wachsenden Ungleichheit der Einkommens- und Vermögensverteilung zugunsten weniger Reicher und zulasten der öffentlichen Haushalte. In der praktischen globalen Politik haben radikale Marktideologien jedoch weiterhin großen Einfluss auf Entscheidungen bis in die Staaten und Gemeinden hinein, auch wenn sie nicht mehr als selbstverständliche Wahrheiten gelten.
Der Staat als Garant der öffentlichen Daseinsvorsorge: Dies bedeutet nicht, dass alle garantierten Leistungen nur von staatlichen Stellen durchgeführt werden. Private Unternehmen sind ein wesentlicher Teil der Versorgungsstruktur; von den niedergelassenen Ärzten und Ausübenden anderer Gesundheitsberufe bis hin zu nicht-staatlichen Krankenhausträgern. Der Staat ist verantwortlich für die Bedarfsplanung einschließlich Standards für Qualität und Wirtschaftlichkeit, für eine ausreichende Finanzierung, für Regulierung und Anreize, für Transparenz und öffentliche Kontrolle. Dies konsequent einzufordern, ist eine wichtige Aufgabe im Landtag. Dazu gehören auch Strategien für gerechte und effektive Finanzierungssysteme und für eine breitenwirksame Wirtschaftsentwicklung.
Neben der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung sind gut ausgestattete Gesundheitsämter, gesundheitliche Aufklärung, Prävention und Gesundheitsförderung von zentraler Bedeutung auf Landesebene. Dies gilt auch für die Universitätsmedizin und die Fachbereiche Gesundheitssystemforschung und Versorgungsforschung an den Universitäten Magdeburg und Halle-Wittenberg. Sie sind unentbehrliche Bindeglieder zwischen Wissenschaft und Praxis.
Die Corona-Pandemie wird auch im Jahr 2021 eines der wichtigsten Themen für unseren Landtag sein. Ich setze mich dafür ein, dass die Politik des Landes Sachsen-Anhalt eine bundesweit abgestimmte, wissenschaftlich gut gestützte Strategie zum Schutz vor Covid-19 und zur umfassenden Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung aktiv mitgestaltet und umsetzt.